Wer sich mit der Geschichte der Aargauer Schulbibliotheken beschäftigt, stösst im Jahresbericht 1876 der Erziehungsdirektion des Kantons Aargau auf die Erwähnung von 56 ärmeren Schulbibliotheken, denen mehrere kleinere Werke geschenkt wurden. Laut Bericht vermehren sich diese Bibliotheken und werden gerne genutzt, jedoch sei zu bedauern “dass an einigen Orten diese Bibliotheken dazu benutzt werden wollen, um der Jugend ungehörige Waare und Tendenzschriften in die Hände zu spielen”. Als Folge davon seien Schul-Inspektoren beauftragt worden “solche unstatthafte Literatur sofort zu beseitigen”.
Das wohl älteste bibliothekarische Dokument der Bibliothek des Töchterinstituts und Lehrerinnenseminars Aarau (Gründung 1787, Vorgängerinstitution der Neuen Kantonsschule Aarau) ist der alte, teilweise handgeschriebene umfangreiche Wandkatalog:
Erster gedruckter Katalog von 1881-1907
Für die aargauische Schulausstellung wird 1881 der erste gedruckte Bibliothekskatalog erstellt, der 1’100 Bände verzeichnet. Am meisten Sachbücher verzeichnen die Gebiete Pädagogik und Geschichte. Auch Unterhaltungslektüre wie der “Lederstrumpf” von James Fenimore Cooper, der “schweizerischen Robinson” von Johann David Wyss sowie “Onkel Toms Hütte” von Harriet Beecher Stowe ist darin zu finden. Neben deutschen Klassikern von Schiller und Goethe gibt es französische Werke, wenige englische und italienische Bücher. Einige Sammelbände mit Jahresberichten Schweizerischer Schulen wie z.B. dem Evangelischen Lehrerseminar Unterstrass bei Zürich sind ebenfalls aufgeführt.
Die Bibliothek des Töchterinstituts und Lehrerinnenseminars wird bereits im ersten Jahresbericht 1873/74 erwähnt. Sie enthält zu dieser Zeit “680 kleinere und grössere Werke.” Zuwachs erhält sie durch Ankauf und Schenkungen, Bibliothekar ist der Rektor. 1877/78 heisst es zur Benutzung: “Von einer eigentlich fleissigen Benutzung der Bibliothek kann auch dieses Jahr lediglich bei der 1. Classe geredet werden. Die beiden oberen Classen finden neben der Bewältigung des von Tag zu Tag mit neuen Anforderungen antretenden Unterrichtsstoffes selten Zeit zur Lectüre. Es ist das ein Missstand, der schwer zu beklagen ist. (…) So bleibt denn bloss der Trost, die Schülerinnen werden später, wenn sie mehr verfügbare Musse besitzen, auf irgendwelche Weise den Schaden wieder gut zu machen suchen.”
1879/80 werden 585 Bände ausgeliehen. 1882/83 wird erstmals eine Bibliothekskommission erwähnt, die aus dem Pfarrer Zschokke (Präsident), Professor A. Tuchschmid und dem Bibliothekar J. Keller besteht. 1886/87 werden für die Bibliothek ohne Buchbinderkosten 300 Fr. aufgewendet. Die Benutzung kostet für Schülerinnen pro Jahr 3 Fr. Darin ist auch die Benutzung der Kantonsbibliothek “für besonders wissensdurstige Schülerinnen” inbegriffen.
Im Schuljahr 1907/08 ist als grössere Anschaffung das Abonnement des “Geographischen Lexikons der Schweiz” sowie die neueste Ausgabe des Konversationslexikon Brockhaus erwähnt. Zuwachs erhält die Bibliothek durch Geschenke, Ankäufe und Tausch (Lehrpläne und Reglemente). “Die moderne Schule verlangt viel Rüstzeug: Veranschaulichung aller Art, eine gut ausgestattete Bibliothek u.s.w.” Der Anschaffungskredit von 1’450 Fr. (inklusive Sammlungen) reicht da nicht weit, insbesondere, wenn man bedenkt, dass ein Grossteil des Kredits “für die Ausbesserung schadhafter und Besorgung neuer Einbände” verwendet werden muss.
Schülerinnen des Töchterinstituts und Lehrerinnenseminars ca. 1910 auf der Laurenzenvorstadtstrasse (Pause vor dem Schulhaus, heute Amtshaus-Kantonspolizei)
1912/13 gibt es die Schülerinnen-Bibliothek, die Handbibliothek der Lehrer und das Lesezimmer.
Im Oktober 1931 legt Fräulein Dr. F. Humbel den ersten Teil des neuen gedruckten Kataloges vor.
Neuer gedruckter Katalog 1931-1951
Zuwachsverzeichnis 1951-1956
Situationsplan Neubau Erdgeschoss mit Lesezimmer und Bibliothek (heute Konferenzraum)
Vor den Sommerferien 1955 findet der Einzug in den Neubau des Lehrerinnenseminars und Töchterinstituts statt. Im Fotoalbum zum Neubau ist diese Aussen-Aufnahme der Treppe zum Lesesaal zu finden (heute Gang und Vorbereitungszimmer Fachschaft Deutsch vor dem Konferenzraum)
Schon 1959/60 heisst es zum Leseverhalten: “Den wirklich lesenden, aus eigenem Antrieb lesenden Schüler gibt es an unserer Schule nicht mehr; Ausnahmen mögen die Regel bestätigen”.
Ab 1963 ist reglementarisch festgehalten, dass in den Aargauer Volksschulen Schulbibliotheken eingerichtet werden sollen. Das Lehrerinnenseminar ist als Ausbildungsstätte der zukünftigen Volksschullehrer davon mitbetroffen
Katalogkärtchen aus dem Zettelkatalog
Einen ersten grossen Innovationsschub in der Schulbibliothek gibt es ab 1973. Sie besteht damals aus mehreren hundert, meistens veralteten Nachschlagewerken im Lehrerzimmer und aus etwa 10’000 Büchern im Bibliotheksraum (heute Konferenzraum). Seit 1972 versuchen einige Lehrer, der sich seit über 100 Jahren anhäufenden Büchersammlung neues Leben einzuhauchen. Gelingen tut dies erst, als 1974 der Geographielehrer Dr. Niklaus Zadorlaky-Stettner mit einem halben Pensum als Schulbibliothekar angestellt wird. Sein Plan besteht darin, eine Freihandbibliothek mit Dezimalklassifikation, einem Ticket-System (Ausleihe), einer Präsenzbibliothek und einem Zettelkatalog einzurichten. Helfen sollen dabei Schüler (angehende Lehrpersonen), die damit gleich etwas über das Führen einer Schulbibliothek lernen.
Fristzettel mit Datumsstempeln (rechts) und Ticket für die Ausleihe
Die Sach- und Nachschlagebücher stammen grösstenteils aus der Zeit zwischen 1890 und 1930. Ein Grossteil dieser älteren Bücher soll weggeräumt werden, “besser der Kantonsbibliothek übergeben werden”.
“Das Katalogisieren ist die zeitraubendste und vorläufig wichtigste Arbeit”. Ab Mai 1974 wird ein Autoren- und Sach-Zettelkatalog erstellt. Am 18.2.1975 wird die neu geordnete Bibliothek eröffnet. 3’500 Bücher sind unter Mithilfe von Schülern neu katalogisiert und ausgerüstet worden und können ausgeliehen werden. Dazu kommen 1’000 französische und englische Bücher.
Mit der Umwandlung des Lehrerinnenseminars in ein Gymnasium werden an die Schulbibliothek neue Anforderungen gestellt. Sie ist in den 10 Uhr-Pausen geöffnet, die Ausleihe wird von Schülern besorgt. Die Bibliothek besteht aus einem “magazinartigen Bibliotheksraum” mit fest eingebauten Regalen. Zum Katalogisieren werden arbeitslose Junglehrerinnen beschäftigt. Es zeigt sich jedoch, dass das Beaufsichtigen und Korrigieren der Arbeiten zeitaufwendig ist. 1979/80 wird erstmals der Begriff “Mediothek” eingeführt. “Wir möchten längerfristig die Bibliothek zu einer Mediothek ausbauen, wie sie bereits an den Kantonsschulen in Baden und Zofingen sowie am Kantonalen Seminar in Brugg vorhanden sind”.
1981 wir der neue Bibliothekar Walter Zuberbühler angestellt. Er erhält eine Kommission aus Vertretern verschiedener Fachschaften, die ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. In der Bibliothek werden die Büchergestelle vermindert und dadurch Raum für Arbeitsplätze den drei äusseren Wänden entlang geschaffen. Bald besteht das Stammpublikum aus 60-70 Schülern, welche die Arbeitsplätze rege benutzen. Der Lesesaal ist von elf bis halb zwei Uhr Speisezimmer. Es werden vier Kassettengeräte mit Kopfhörern angeschafft, ein erster Schritt hin zu einer Mediothek. Geplant ist diese aber erst für den Neubau, der 1990 eingeweiht wird. Ab 1987/88 gibt es VHS-Kassetten und CDs im Bestand und es ist ein erstes Mal von Öffentlichkeitsarbeit die Rede.
Seit Mai 1990 ist Ursula Braun zu 50% angestellt. Im Untergeschoss des Neubaus U.03 ist auf 460 m2 die Mediothek untergebracht. “Die Mediothek trägt diesen Namen, weil nicht nur Bücher (“Bibliothek”), sondern auch andere Medien zur Verfügung stehen: Ton- und Bildkassettten, Abspiel- und Aufnahmegeräte, Fernsehgeräte.”
Sie umfasst neben dem Buchbestand Monitore, eine Videoschneidanlage sowie zwei Sprachlaborplätze. 1992/93 beginnt die Bearbeitung der Bestände mit EDV. Es werden weiterhin Katalogkarten ausgedruckt. 1995/96 wird die NZZ als CD-ROM angeschafft, womit das bisherige manuelle Erfassen von Zeitungsartikeln entfällt.
2004 wird der Mediotheks-Katalog als Teil des Aargauer Bibliotheksnetzes vom Bibliothekssystem SISIS (Siemens-Nixdorf) auf ALEPH migriert. Andrea Farragher und Dorothea Schneiter sind das neue Mediotheksteam, 2007 wird Christoph Steiner zum Nachfolger von Dorothea Schneiter gewählt.
Ab 2000 beginnt die Blütezeit der DVD-Ausleihe, die etwa bis zum Markteintritt von Netflix in der Schweiz im Jahr 2014 dauert
2008 wir die Mediothek mit einem Aarauer Innenarchitekturbüro neu konzipiert und eingerichtet. Die Mediothek wird in verschiedene Zonen eingeteilt. Während im Studienraum Ruhe herrscht, darf im grossen Mediotheksraum an den Arbeitsinseln zwischen den halbhohen Gestellen auf Rädern in Zimmerlautstärke gesprochen werden. Im Eingangsbereich findet sich die Spielzone mit dem grossen Zeitschriftengestell. Es gibt zwei Fernsehräume zum Visionieren von DVDs und VHS.
Türen zum Bibliothekarinnenbüro (rechts) und Studienraum (geradeaus) vor dem Umbau
Blick vom Bibliothekarinnen-Arbeitsplatz zum Nachschlagebestand vor dem Umbau
Blick vom Bibliothekarinnen-Arbeitsplatz zum Video-Abspielgerät (hinten Mitte) vor dem Umbau
CD-ROM-Arbeitsplatz mit Sicht auf den Mediotheks-Eingang vor dem Umbau
Langgezogener Arbeitstisch am Fenster nach dem Umbau über Mittag
Ausstellung kurz nach der Neueröffnung der Mediothek zum Thema “Lesen im Comic”
Ab 2014 verfügt die Mediothek über einen Plotter, der Ausdrucke bis A0 ermöglicht. Die Mediothek wird damit später Teil des “Makerspace NKSA”
Schüler-Websiteprojekt buks.ch (um 2008) für den Verkauf von nicht mehr gebrauchten Schulbüchern. Dreh- und Angelpunkt für Übergabe und Geldtransfer dabei ist die Mediothek
Ab 2009 machte sich die NKSA-Mediothek das Thema Web 2.0 (heute Social Media) zum Thema, zu dem auch Weiterbildungen gehalten wurden
Dankeskärtchen von Schülerinnen
Ab 2012 war die Mediothek für die Bewirtschaftung der Social Media-Kanäle verantwortlich. Aufgebaut wurden sie von dem ehemaligen Infcom-Schüler Thomas Meyenberg.
QR-Code mit eingebettetem Schul-Logo, der auf den damals neuen Facebook-Kanal führt.
Die neueste Geschichte der Mediothek ist im NKSA-Mediotheksblog (ab 2018) nachlesbar. Die Mediothek verfügt seit 2008 über Datenbanken (Digithek) und seit 2017 über e-Books (e-Thek). Seit 2013 ist sie für die Social Media-Auftritte der Schule zuständig. Seit 2016 führt sie im Rahmen des Projektunterrichts (PU) ein Modul “Literaturrecherche” durch (1 Lektion für alle 3. Klassen Gymnasium und 2. Klassen FMS). Seit 2019 ist die Mediothek bei nanoo.tv dabei und hat seither sukzessive alle DVDs mit einem Cloud-Lifter hochgeladen. Seit 2024 sind deshalb alle DVDs magaziniert.
Seit September 2023 ist der NKSA-Katalog als Teil des Aargauer Bibliotheksnetzes Teil der Rechercheplattform Swisscovery.
Die Mediothek führt seit 2018 regelmässig Veranstaltungen durch, wozu auch Lesungen in Zusammenarbeit mit der Fachschaft Deutsch gehören.
Auswahl von Geräten, die in der NKSA-Mediothek ausleihbar sind. Waren vor einigen Jahren noch MP3-Player und Video-Camcorder gefragt, sind ist es heute eher Smartphone-Zusatzgeräte wie z.B. Gimbals und Gorilla-Grips. Laptops werden v.a. als Notfallgeräte, wenn das eigene Gerät nicht verfügbar ist ausgeliehen
Alle Zitate stammen, sofern nicht anders angegeben, aus dem Jahresbericht über das Töchterinstitut und Lehrerinnenseminar in Aarau (1873-1978), dem Jahresbericht der Kantonsschule Aarau-Zelgli, Aargauische Töchterschule 1978-1989 sowie dem Jahresbericht der Neuen Kantonsschule Aarau (in Digitalisierung, noch nicht online).
Mehr zu den historischen Beständen der NKSA-Mediothek ist in folgenden zwei Blogartikeln zu erfahren:
Lieber Christoph
Das ist ja so spannend und lässt mein Bibliothekarsherz schneller schlagen:-)
Herzliche Grüsse Ömer