3-Schichten-Modell in der Literatur

Der Tages-Anzeiger schreibt unter dem Titel «Gute Seiten, schlechte Seiten» über Liebesromane und Krimis für ein breites Lesepublikum und den Unterschied zu «richtiger» Literatur:

«Literatur hier, Schund dort: So sah einst die Einteilung des erzählenden Schrifttums aus, verbunden mit einem klaren moralischen Verdikt. Heute differenziert die Forschung mehr, massgeblich ist ein 3-Schichten-Modell. Es beschreibt mehr, was gelesen wird und wie das beschaffen ist, als dass es wertet.

Vertikal betrachtet, steht ganz unten nach wie vor die Trivialliteratur, das Genre der Arztromane e tutti quanti, in dem Aschenputtel seinen Prinzen, vulgo die Krankenschwester den Chefarzt, kriegt. (…)

Wer heute ein breites Publikum erreichen will, weiss, dass dieses mit Billigware nicht abzuspeisen ist. Deshalb bewegt sich die aktuelle Unterhaltungsliteratur, gewissermassen die breite Mittelklasse des Erzählens, auf einem anderen Niveau. Denn auch wer von seiner Lektüre bloss unterhalten, abgelenkt, in Spannung und Aufregung versetzt werden will, hat Ansprüche. (…)

Was fehlt dieser «Mittelklasse» zur «richtigen» Literatur, zur Literatur im engeren, im emphatischen Sinne, also zu «Literatur als Kunst», wie das der ­Zürcher Verleger Egon Ammann immer nannte? Einiges. Vor allem vielleicht ­dieses: Literatur, so verstanden, ist mehr als eine gut erzählte Geschichte, der man folgt, weil man wissen will, wie sie ausgeht. (…)

In der Literatur dient sie gar nicht, sie ist ihr eigener Zweck. Sobald Sprache nicht bloss funktioniert, sondern ein Eigenleben zu führen beginnt, befinden wir uns in literarischen Gefilden, in dem, was man immer noch E- oder die ­«ernste» Literatur nennt. (…)

Nennen wirs Handwerk (bei U), nennen wirs Kunst (bei E): In beiden Disziplinen kann ein Autor scheitern. (…)

Und es fehlt auch nicht an Beispielen für Bücher, die alle literarischen Kriterien erfüllen und gleichwohl ein Millionenpublikum finden – so war es bei Balzac und Dickens, so ist es gegenwärtig bei Elena Ferrante. Gut muss nicht schwierig sein.»

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