Bei Fernsehserien den Überblick behalten

Die NZZ vom 25.2.2016 berichtet unter dem Titel «Der Junkie braucht ein gutes Zeitmanagement» über einen Besuch beim Serienportal serienjunkies.de:

«Eine Website für Aficionados – für Leute, die Zusammenfassungen brauchen, Charakterprofile der Serienfiguren oder die sich auf die Folge der nächsten Woche vorbereiten wollen. Über 3000 Serien hat das Portal bis anhin durchforstet, zusammengefasst, aufgeschlüsselt. (…)

Die Serienjunkies produzieren Podcasts oder auch etwas aufwendigere Analysen. (…)

Im kleinen Studio hinter dem Küchenraum nehmen sie das «Serientaxi» auf: ein wöchentliches Format, bei dem ein Redaktor mit Brille und einer mit einer Frisur, die man früher Sardelle nannte und heute vielleicht Combover, bei fester Kameraeinstellung eine halbe Stunde über Serien reden. (…)

«Wer Junkie ist, hat keine Zeit und kann nicht stundenlang bei Amazon Prime herumsuchen. Der muss schnell ein klares Angebot bekommen. Eines, das passt.» (…)

Die Serienjunkies schreiben Episodenguides und Ausblicke auf die nächste Folge. (…)

Bei den Serienjunkies arbeiten mittlerweile zehn Redaktoren, etwa sechs sind mit Content beschäftigt. (…)

«Serien, keine Soaps», macht Huge klar. Also nichts über die Fernseh-Furunkel aus den Privatkanälen. (…)

Im Verdrängungswettbewerb der Kabelanbieter können gut gemachte Reihen heute einen ganzen Sender durchs Jahr tragen. Abonnement-Anbieter wie HBO oder Netflix sind schon einmal zufrieden, wenn eine Folge 300 000 Zuschauer hat, die dann alle die Monatsgebühr bezahlen. Ein Angebot funktioniert, weil es genügend Nachfrage hat. Huge hat zur Sicherheit noch einmal nachgeschaut: Serienjunkies.de besuchen im Monat über 2 Millionen Menschen, sie kommen 5 Millionen Mal vorbei, rufen 20 Millionen Unterseiten des verästelten Portals auf. (…)

Serienjunkies.de als Geschäftsmodell ist der zunehmenden Überforderung einerseits und Problemen mit Wartezeiten andrerseits geschuldet: In den USA zeigten die Sender im vergangenen Jahr über 400 selbstproduzierte Serien – doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Bei Netflix loggen sich jetzt rund 75 Millionen Nutzer aus über 130 Ländern ein. (…)

Vor zehn Jahren hat der Soziologe Hartmut Rosa die Beschleunigung als zentrales Merkmal der Modernisierung ausgemacht. Er hat festgestellt, wie der Zwang zu Wachstum und Beschleunigung ineinandergreifen. Was wir an Zeit einsparen, weil wir Arbeit effizienter gestalten oder auslagern, investieren wir in mehr Arbeit oder Konsum. Wir gehen nicht öfter spazieren, wir haben nicht mehr Sex. Unter anderem schauen wir mehr Serien, sie bieten parasoziale Interaktion, ohne die Anstrengung, die Lesen bereitet.»

Update vom 21.10.2016: Sucht als Geschäft: Die Website «Serienjunkies»

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