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Umberto Eco ist am 19.2.2016 gestorben. Die Zeit vom 20.2.2016 erinnert an ihn unter dem Titel «Er hielt die Welt zusammen«:

«Heute kann man sich nach der Lektüre von zwei Eco-Romanen wahrscheinlich gleich zur Bachelor-Abschlussprüfung melden. Wer das spielerische, alles mit allem verknüpfende Prinzip der insgesamt sieben Erfolgsromane verstanden und auch noch Ecos Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten gelesen hat, dürfte dann dementsprechend gleich ins Graduiertenkolleg durchgewunken werden.»

Gerrit Bartels schreibt im Tagesspiegel vom 21.2.2016 unter dem Titel «Abenteurer des Geistes» (via Blendle, bis jetzt nicht online verfügbar):

«Wer ihn dort (in seinem Haus auf dem Land) besuchen durfte, konnte nicht nur einen gern und viel rauchenden Mann erleben, einen aus Wörtern, sondern gerade auch einen aus Büchern, ihre Zahl in seinen Domizilen geht in die Zehntausende.

Eco betonte gern, dass es nicht nur ihr Inhalt ist, der ihm wichtig war, sondern dazu ihre Form und Ausstattung, ihre Typografie, ihr Papier, ihr Alter, ihre Gebrauchsspuren, ihre Geschichte. Weshalb es für ihn stets ein Erlebnis war, „das geistige Abenteuer desjenigen nachzuerleben, der es mit seinem handschriftlichen Zeugnis signiert hat.“ Was so weit ging, dass er, so hat er es in seinem Buch „Die Kunst des Bücherliebens“ beschrieben, sich Kuriositätenkataloge Pariser Buchhändler aus dem 19. Jahrhundert besorgte oder das Buch eines Autors, der zur Zeit des 1. Weltkriegs ausgerechnet hatte, dass der Fäkalienausstoß eines Deutschen höher sei als der eines Franzosen – und die Fäkalien der Deutschen überdies schlechter röchen.»

In der Schrift «Die Bibliothek» erklärt Eco u.a., weshalb er für die Freihandaufstellung ist:

«Warum ist nun der freie Zugang zu den Regalen so wichtig? Eines der Mißverständnisse, die den allgemeinen Begriff der Bibliothek beherrschen, ist die Vorstellung, daß man in eine Bibliothek geht, um sich ein bestimmtes Buch zu besorgen, dessen Titel man kennt. Natürlich kommt es oft vor, daß man in eine Bibliothek geht, weil man ein bestimmtes Buch haben will, aber die Hauptfunktion einer Bibliothek – jedenfalls meiner privaten Bibliothek und jeder, die wir im Hause von Freunden durchstöbern können – ist die Möglichkeit zur Entdeckung von Büchern, deren Existenz wir gar nicht vermutet hatten, aber die sich als überaus wichtig für uns erweisen. (…)

Diebstahl ist überall möglich, aber ich glaube, das Prinzip einer offenen Bibliothek mit freier Zirkulation ist, daß sie den Diebstahl durch Ankauf neuer Exemplare wettmacht, auch wenn es sich um antiquarische Bücher handelt. Ein Millionärsprinzip, gewiß, aber ein Prinzip. Die Grundfrage ist, ob man will, daß die Bücher gelesen werden können, oder nicht; will man es und wird dann ein Buch gestohlen oder zerstört, so kauft man eben ein neues. Kostbare Handschriften werden selbstverständlich in besonderen Abteilungen aufbewahrt und besser geschützt.»

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