“KI in Bibliotheken vor und nach dem Aufkommen von ChatGPT: Eine kritische Diskursanalyse” von Nicolas Bach online (via nb auf Mastodon)
“Mit dem Aufkommen von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) in Form von ChatGPT und Large Language Models (LLMs) hat sich auch im Bibliothekswesen die Debatte zu KI verändert. Anhand einer Gegenüberstellung von damaligem und dem aktuell in der Bibliothekscommunity geführten KI-Diskurs zeigt diese Arbeit, dass LLMs eine Veränderung in der Wahrnehmung von KI bewirkt haben und durch ihre niedrigschwellige Nutzbarkeit und universelle Einsetzbarkeit aktuell bereichsspezifische KI-Lösungen, an oder mit denen einzelne Bibliotheken arbeiten, in den Hintergrund drängen. Jedoch sind außer generischen Erleichterungen des Alltagsgeschäfts durch LLMs aktuell noch keine Durchbrüche bei den Kernaufgaben der bibliothekarischen Profession gelungen. Andererseits verhärtet sich die Diskussion darum, ob die bibliothekarische Aufbereitung von Informationsressourcen mittels Metadaten nicht bald obsolet sein könnte, sollten sich LLMs im Bereich der Suchsysteme durchsetzen. Der bereits 2021 kollektiv geforderte Aufbau eigener, gemeinsamer, beständiger KI-Infrastruktur durch Bibliotheken und die dafür dauerhafte Bereitstellung von Ressourcen konnte sich bisher nicht manifestieren. Eine kritische Betrachtung des Diskurses zeigt außerdem, dass sozial-ökologische Auswirkungen von LLMs etwa durch deren enormen Ressourcenverbrauch oder das rechtlich und moralisch fragwürdige Zustandekommen deren Datenbasis nur selten besprochen werden. Auch lässt sich eine gewisse Tendenz zu Technology-Push-Ansätzen und unfreiwilliger Werbung erkennen, die sich unvorteilhaft auf einen ausgewogenen und kritischen Umgang mit KI im Sinne der Vermittlung von KI-Kompetenz auswirken kann. Dem gegenüber sind menschenzentrierte Ansätze (Human-Centered AI), für die sich noch in der Zeit vor ChatGPT ausgesprochen wurde, nicht mehr wahrnehmbar, obwohl diese bereits praxistaugliche Fortschritte verzeichnen können.”